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Titel des Objekts
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Abbildung einer Person, deren Körper dem zweigeschlechtlichen System widerspricht (3)
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Beschreibung des Objekts
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Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Person, die vermutlich in einem Raum vor einer hellen Wand steht. Sie ist vom Kopf bis zu den Füßen zu sehen und wurde in Rückenansicht, halb seitlich aufgenommen. Sie trägt Riemenschuhe, helle Strümpfe und eine Unterhose. An ihren Füßen auf dem Boden liegt ein heller Stoff (möglicherweise ein Tuch, das sie auf einer anderen Aufnahme in den Händen hält). Beide Arme sind angewinkelt, wahrscheinlich hält sie ihre Hände in Brusthöhe. Ihr Gesicht ist im Profil zu sehen, sie blickt geradeaus.
Kontext:
Von der Person existiert eine Serie aus mindestens drei Fotografien.
Die Publikation „Gesetze der Liebe“, aus der diese Abbildung stammt, erschien in Ergänzung des gleichnamigen Dokumentar- und Spielfilms des Sexualwissenschaftlers und Sexualreformers Magnus Hirschfeld. Nach mehrfachen Streitigkeiten innerhalb der Zensurbehörde wurde der Film 1927 in Berlin uraufgeführt. Er beschäftigt sich zunächst mit Fortpflanzung, Schwangerschaft, Geburt und der Aufzucht von Neugeborenen, bevor er sich schließlich sexuellen Minderheiten zuwendet. Hirschfeld setze sich mit dem Film u. a. für die Abschaffung von § 175 ein, wonach mannmännliche sexuelle Beziehungen in Deutschland und vielen anderen Ländern unter Strafe standen. Die deutschen Filmkopien wurden später von den Nationalsozialisten zerstört.
Bei der hier abgebildeten Person handelt sich vermutlich um die im Film geschilderte „‚Raspania‘“, eine "Zwischenstufe", „die erst seit ihrem 11. Lebensjahr sich weiblich gibt und kleidet und deren Geschlechtsorgane vorwiegend männlichen Charakter haben. […] Das Wesen und Empfindungsleben sind durchaus weiblich.“ (Hischfeld, Magnus und Beck, Herman (1927): Gesetze der Liebe. Aus der Mappe eines Sexualforschers. Nach dem gleichnamigen Kultur- und Spielfilm der Humboldt-Film-Gesellschaft, Berlin, Verlag der Neuen Gesellschaft, S. 25)
Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der von Hirschfeld entwickelten „Zwischenstufen“ die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.
Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
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Ort
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Berlin
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Sprache
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de
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Gefördert durch
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Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin