Fotografie von Friederike Schmidt (6)

Objekt

Objekttyp
Titel des Objekts
Fotografie von Friederike Schmidt (6)
Beschreibung des Objekts
Schwarz-Weiß-Fotografie einer vor einer Wand stehenden Person, die vom Kopf bis zu den Füßen zu sehen ist. Die Person trägt dunkle Schuhe, dunkle Hosen, einen geschlossenen dunklen Mantel, ein helles Hemd mit einer Fliege und einen dunklen Hut auf dem Kopf. In der linken Hand hat sie einen Gehstock, in der anderen Hand hält sie vermutlich eine Zigarre. Die Person steht aufrecht, sie wurde frontal fotografiert und blickt direkt in die Kamera.

Kontext:
Über die hier abgebildete Friederike Schmidt (1861 geboren in Bayern) gibt der Sexualwissenschaftler und Sexualreformer Magnus Hirschfeld in seiner Publikation „Geschlechtsübergänge“ ab S. 19 eine recht ausführliche Anamnese, die sich über Angaben zu Schmidts Kernfamilie im Rahmen der Vererbungslehre, über ihre Kindheit und Jugend bis hin zu ihrem aktuellen Zustand (vierzigjährig) erstreckt. Er beschreibt sie als eine Person, die den als „männlich“ geltenden Eigenschaften mehr entspreche als den „weiblichen“ und auch den „männlichen“ Vorlieben mehr abgewinnen könne als den „weiblichen“. Bei der Untersuchung ihrer Geschlechtsorgane stellte Hirschfeld das männliche Genitalgeschlecht fest. Sein Bericht endet mit dem Satz: „Meinen Vorschlag, ihre Metrik zu ändern und als Mann weiter zu leben, lehnte die Patientin ab, da sie das mit dieser Umänderung verknüpfte Aufsehen scheute und fürchtete, die ihr angenehm gewordene geschäftliche Stellung zu verlieren.“ (Vgl. Hirschfeld, Magnus (1913): Geschlechtsübergänge. Mischungen männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere (Sexuelle Zwischenstufen), Max Spohr, S. 25)

Das Bild gehört zu einer Serie von mindestens drei Fotos, die alle Teil der Bilderwand „Sexuelle Zwischenstufen“ waren, die für den im August 1913 in London tagenden internationalen medizinischen Kongress angefertigt und dann im Institut für Sexualwissenschaft gezeigt wurde. Der Gründer des Instituts, Magnus Hirschfeld, wollte mit der Bilderwand seine um 1910 vorgelegte „Zwischenstufentheorie“ veranschaulichen und untermauern.

Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.

Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
Mitwirkende*r
Wilhelm Polzer
Datierung
Ort
Berlin
Sprache
de
Nutzungsrechte Metadaten
CC0
Nutzungsrechte Digitalisat
Public Domain Mark
Gefördert durch
Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin

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