Fotografie einer anonymisierten Person in Männerkleidung (2)

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Objekttyp
Titel des Objekts
Fotografie einer anonymisierten Person in Männerkleidung (2)
Beschreibung des Objekts
Contenwarung: Misgendering

Schwarz-Weiß-Fotografie einer Person, die in einem Raum steht. Das Gesicht der Person wurde unkenntlich gemacht und erscheint als helle Fläche. Die Person trägt einen dunklen Anzug und dunkle Schuhe. Sie steht aufrecht, ihre beiden Arme hängen locker am Körper herab. Sie wurde leicht seitlich fotografiert, ihr Gesicht ist der Kamera zugewandt. Vom Raum, in dem sie steht, sind nur die unmittelbar hinter ihr befindliche neutrale Wand sowie ein Stück des Bodens zu sehen.

Kontext:
Über die anonymisierte Person, die im Begleittext zu der Abbildung mit den Initialen E. M. vorgestellt wird, ist in einem Beitrag von Magnus Hirschfeld und Ernst Burchard zu lesen, dass es sich bei M. um einen „Mann mit vollkommen weiblichen äußeren Genitalien“ handele. M. hätte die beiden Sachverständigen Hirschfeld und Burchard „auf Rat ihres Anwalts und im Einverständnis mit ihrer Mutter“ mit der Bitte um ein Gutachten aufgesucht, „durch das – wenn möglich – ihre eigenartige Lage geklärt werden könnte“ (Hirschfeld, Magnus/Burchard Ernst (1930): „Sperma-Sekretion aus einer weiblichen Harnröhre“, in: Polzer, Willhelm: Sexuell-Perverse, Leipzig: Asa, S. 265–272, hier S. 265). In einer ausführlichen Anamnese, in der auch die Verwandten von M. zu Wort kommen, wird M. als eine Person beschrieben, die seit Kindesbeinen an, „weibliche“ Betätigungen und Kleidung ablehnte bis „mit fortschreitendem Alter […] das Bedürfnis, in jeder Beziehung als Mann zu leben, sich männlich zu kleiden, männlichen Beschäftigungen im Beruf und Sport nachzugehen und männliches Benehmen zeigen zu dürfen, immer mehr an Intensität [gewann]“ (ebd., S. 267).

Zunächst glaubten die beiden Gutachter „es bei Fräulein M. mit einer weiblichen, homosexuell empfindenden Transvestitin zu tun zu haben“ (ebd. S. 269), doch nachdem der „lückenlose Beweis“ erbracht worden sei, dass M. „zeugungsfähige männliche Keimstoffe“ produzierte, wurde M. als eindeutig männlich eingestuft.

M. wurde damit zu einem Beispiel für das von Hirschfeld entwickelte Konzept der „Zwischenstufen“. Gegen Ende des Artikels heißt es: „Es handelt sich um einen Fall, der unseres Wissens in der wissenschaftlichen Literatur noch nicht beschrieben ist, dessen Vorkommen man aber in Anbetracht der unendlichen Mannigfaltigkeit der Geschlechtsübergänge voraussetzen konnte und dessen tatsächlicher Nachweis einen neuen Beleg dafür liefert, wie jede Mischung männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere in einem Individuum infolge endogener Anlage und Entwicklung möglich ist.“ (ebd. S. 271)

Entsprechend waren diese und andere Fotografien von M. Teil der Bilderwand „Sexuelle Zwischenstufen“, die für den im August 1913 in London tagenden internationalen medizinischen Kongress angefertigt und dann im Institut für Sexualwissenschaft gezeigt wurde. Der Gründer des Instituts, Magnus Hirschfeld, wollte mit der Bilderwand seine um 1910 vorgelegte „Zwischenstufentheorie“ veranschaulichen und untermauern.

Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.

Mit der „Zwischenstufen-Theorie“ öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten. Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn (2022): Der Liebe und dem Leid, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
Mitwirkende*r
Wilhelm Polzer
Datierung
Ort
Berlin
Sprache
de
Nutzungsrechte Metadaten
CC0
Nutzungsrechte Digitalisat
Public Domain Mark
Gefördert durch
Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin

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