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Titel des Objekts
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Abbildung einer Porträtkarte einer unbekannten Person
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Beschreibung des Objekts
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Schwarz-Weiß-Fotografie einer Porträtkarte, auf der eine Person vor einem neutralen Hintergrund zu sehen ist. Die Person trägt ein reich verziertes Kleid mit einer Applikation auf der rechten Schulter, die wie ein Vogel aussieht. Am Hals trägt sie eine Kette mit großen Perlen, im Haar einen Reif. Die Person ist vom Kopf bis zur Brust zu sehen, ein halb durchsichtiger Handfächer ist vor ihrer Brust aufgeschlagen. Die Aufnahme erfolgte fast frontal, der Kopf ist nach links gedreht, der Blick nach unten gerichtet. Im unteren Bereich der Karte ist handschriftlich vermutlich eine Widmung vermerkt.
Kontext:
Der Sexualwissenschaftler und Sexualreformer Magnus Hirschfeld publizierte das Bild in seinem Werk „Geschlechtsübergänge“ in der Rubrik „Gynandromorphie, Gynoglottie“. Hierunter fielen in der Systematik Hirschfelds Männer, die aufgrund ihres Habitus, ihrer Physiognomie und Körperbaus als feminin gelesen wurden und, so Hirschfeld, oftmals eine hohe Stimmlage hatten.
Zu dem hier abgebildeten Foto schrieb Hirschfeld: „Wer sich nur ein wenig auf Physiognomik versteht, wird zugeben müssen, daß der Augen- und Gesichtsausdruck, die Haltung, wie sie hier hervortritt, kein Vollmann artifiziell erzeugen kann, daß Chik, Grazie und Charme in solcher Weise nur von Personen herrühren kann, die wirklich innerlich feminines Empfinden besitzen.“ (Hirschfeld, Magnus (1913): Geschlechtsübergänge. Mischungen männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere (Sexuelle Zwischenstufen), Max Spohr, Text vor Tafel XXV).
Das Foto war auch Teil der Bilderwand „Sexuelle Zwischenstufen“, die für den im August 1913 in London tagenden internationalen medizinischen Kongress angefertigt und dann im Institut für Sexualwissenschaft gezeigt wurde. Der Gründer des Instituts, Magnus Hirschfeld, wollte mit der Bilderwand seine um 1910 vorgelegte „Zwischenstufentheorie“ veranschaulichen und untermauern.
Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften. Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
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Ort
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Berlin
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Sprache
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de
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Gefördert durch
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Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin