Abbildung einer Ansichtskarte von Clémentine Delait

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Abbildung einer Ansichtskarte von Clémentine Delait
Beschreibung des Objekts
Schwarz-Weiß-Fotografie von Clémentine Delait im Freien, vermutlich in einem Garten. Sie steht neben einem Holzstuhl mit geschnitzter Rückenlehne, auf dem ein kleiner Hund sitzt, den sie mit einer Hand vermutlich am Ohr krault. In der anderen Hand hält sie einen aufgeklappten Fächer auf Bauchhöhe. Sie trägt einen langen dunklen Rock und eine helle Bluse. Sie und der Hund schauen beide in die Kamera. Im Hintergrund sind ein Baum, Sträucher und möglicherweise ein Hausdach zu sehen.

Kontext:
Das abgebildete Foto existierte auch als Postkarte, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Umlauf war. Clémentine Delait unterhielt zusammen mit ihrem Mann eine Bar, die später in „Le café de la Femme à Barbe“ umbenannt wurde. Aufgrund ihres Bartwuchses galt sie als „Sensation“ und ließ sich gegen Bezahlung fotografieren.

Porträts wie das von Clémentine Delait wurden in der zeitgenössischen Literatur der frühen Sexualwissenschaft zumeist im Kontext sog. „Bartfrauen“ bzw. „Bartdamen“ abgebildet. Auch Magnus Hirschfeld, Sexualwissenschaftler und Sexualreformer, nutzte Abbildungen von „bärtigen Frauen“ u. a. in seiner Publikation „Geschlechtsübergänge“ im Kapitel „Androtrichie. Feminae barbatae“. Dort schreibt er: „Zu den häufigsten und augenfälligsten Geschlechtsübergängen gehören die der Behaarung, einem […] besonders wichtigen sekundären Geschlechtscharakter.
Um sich von der Häufigkeit des ‚Frauenbartes‘ eine Vorstellung zu machen, ist es nur nötig, die Annoncenteile der Zeitungen zu durchsehen. Ich sammelte einige Wochen die Inserate, in denen die Entfernung weiblicher Barte mittelst Elektrolyse, Enthaarungswassern, Depilatorien und anderen Methoden angepriesen wird und fand, daß sich in Berlin Dutzende von Personen diesem anscheinend recht einträglichen Erwerbszweig widmen.“ (vgl. Hirschfeld: Geschlechtsübergänge, Text vor Tafel XIV)

Dieses Bild war auch Teil der Bilderwand „Sexuelle Zwischenstufen“, die für den im August 1913 in London tagenden internationalen medizinischen Kongress angefertigt und dann im Institut für Sexualwissenschaft gezeigt wurde. Der Gründer des Instituts, Magnus Hirschfeld, wollte mit der Bilderwand seine um 1910 vorgelegte „Zwischenstufentheorie“ veranschaulichen und untermauern.

Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.

Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.

Der Film ROSALIE (Kinostart 19.09.2024) ist von Clémentine Delaits Leben inspiriert (siehe https://www.x-verleih.de/filme/rosalie/, abgerufen am 8.8.2024)
Datierung
Ort
Berlin
Sprache
de
Nutzungsrechte Metadaten
CC0
Nutzungsrechte Digitalisat
Public Domain Mark
Gefördert durch
Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin

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