Porträt von Meißauer (1)

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Porträt von Meißauer (1)
Beschreibung des Objekts
Schwarz-Weiß-Fotografie von Josef Meißauer. Meißauer steht vor einem neutralen Hintergrund und ist vom Kopf bis knapp über die Knie zu sehen. Meißauer trägt einen Hut auf dem Kopf, einen Anzug, darunter ein Hemd mit Krawatte und eine Weste. Meißauer ist leicht seitlich aufgenommen, der Kopf ist in Richtung der Kamera gedreht, der Blick geht geradeaus.

Kontext:
Die Abbildung gehört zu einer Serie von mindestens zwei Fotos, die Meißauer einmal in „männlicher“ und einmal in „weiblicher“ Kleidung zeigen.

Meißauer wurde in Bayern wiederholt wegen des Tragens von Frauenkleidern in der Öffentlichkeit verhaftet. 1911 erhielt Meißauer von dem Berliner Sexualwissenschaftler und Sexualreformer Magnus Hirschfeld einen sog. „Transvestitenschein“, der Meißauer vor Festnahmen wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ schützen sollte. „Transvestitenscheine“ legitimierten ihre Träger bzw. Trägerinnen, dauerhaft „gegengeschlechtliche“ Kleidung zu tragen, wodurch es Menschen möglich wurde, sich gemäß ihrer Geschlechtsidentität zu kleiden. Meißauer soll die erste Person gewesen sein, die 1911 aufgrund eines Gutachtens von Magnus Hirschfeld und Iwan Bloch (ebenfalls Arzt, Sexualwissenschaftler und Sexualreformer) eine solche polizeiliche Legitimation erhielt. Welcher Geschlechtsidentität sich Meißauer zuordnete, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden.

Das hier abgebildete Foto von Meißauer war Teil der Bilderwand „Sexuelle Zwischenstufen“, die für den im August 1913 in London tagenden internationalen medizinischen Kongress angefertigt und dann im Institut für Sexualwissenschaft gezeigt wurde. Der Gründer des Instituts, Magnus Hirschfeld, wollte mit der Bilderwand seine um 1910 vorgelegte „Zwischenstufentheorie“ veranschaulichen und untermauern.

Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.

Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
Datierung
Ort
Berlin
Sprache
de
Nutzungsrechte Metadaten
CC0
Nutzungsrechte Digitalisat
Public Domain Mark
Gefördert durch
Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin

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