Abbildung von Julia Pastrana (Lithografie)

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Abbildung von Julia Pastrana (Lithografie)
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Schwarz-Weiß-Fotografie einer Lithografie, auf der Julia Pastrana zu sehen ist. Pastrana ist vom Kopf bis zu den Füßen in einer vermutlich tanzenden Pose dargestellt. Sie trägt ein üppig gerüschtes Kleid, dessen Rock an ein Ballettkostüm erinnert. Das um die Taille eng sitzende Oberteil ist schulterfrei und mit Verzierungen versehen. An den Füßen trägt Pastrana schwarze Schuhe oder Strümpfe. Sie ist halb seitlich abgebildet. Die Hände hat sie in die Hüften gestemmt. Sie steht auf einem Bein, das andere ist gestreckt, nur die Zehen berühren den Boden. Den Kopf hat sie nach rechts gedreht und blickt geradeaus. Sie trägt eine Halskette und Kopfschmuck.

Kontext:
Julia Pastrana (1834–1860) gehörte zu den Personen, die im 19. Jahrhundert in sog. „Freakshows“ als Darstellerinnen auftraten. Selbst noch viele Jahre nach ihrem Tod wurde ihr Leichnam weiterhin zur Schau gestellt, bis die norwegische Regierung dies 1970 untersagte. Erst 2013 wurden ihre mumifizierten Überreste nach Mexiko überführt.

Porträts wie das von Julia Pastrana wurden in der zeitgenössischen Literatur der frühen Sexualwissenschaft zumeist im Kontext sog. „Bartfrauen“ bzw. „Bartdamen“ abgebildet. Auch Magnus Hirschfeld, Sexualwissenschaftler und Sexualreformer, nutzte Abbildungen von „bärtigen Frauen“ u. a. in seiner Publikation „Geschlechtsübergänge“ im Kapitel „Androtrichie. Feminae barbatae“. Dort schreibt er: „Zu den häufigsten und augenfälligsten Geschlechtsübergängen gehören die der Behaarung, einem […] besonders wichtigen sekundären Geschlechtscharakter.
Um sich von der Häufigkeit des ‚Frauenbartes‘ eine Vorstellung zu machen, ist es nur nötig, die Annoncenteile der Zeitungen zu durchsehen. Ich sammelte einige Wochen die Inserate, in denen die Entfernung weiblicher Barte mittelst Elektrolyse, Enthaarungswassern, Depilatorien und anderen Methoden angepriesen wird und fand, daß sich in Berlin Dutzende von Personen diesem anscheinend recht einträglichen Erwerbszweig widmen.“ (vgl. Hirschfeld: Geschlechtsübergänge, Text vor Tafel XIV)

Bilder von „Frauen mit Bärten“ waren auch Teil der Bilderwand „Sexuelle Zwischenstufen“, die für den im August 1913 in London tagenden internationalen medizinischen Kongress angefertigt und dann im Institut für Sexualwissenschaft gezeigt wurde. Der Gründer des Instituts, Magnus Hirschfeld, wollte mit der Bilderwand seine um 1910 vorgelegte „Zwischenstufentheorie“ veranschaulichen und untermauern.

Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.

Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
Mitwirkende*r
Ludwig Levy-Lenz
Abgebildete Person(en)
Julia Pastrana
Datierung
Ort
Berlin
Sprache
de
Nutzungsrechte Metadaten
CC0
Nutzungsrechte Digitalisat
Public Domain Mark
Gefördert durch
Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin

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