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Titel des Objekts
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Abbildung verschiedener Schriftproben von Männern, die als „feminin“ eingeordnet wurden
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Beschreibung des Objekts
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Schwarz-Weiß-Fotografie, auf der untereinander vier handschriftliche Schriftproben abgebildet sind, die zwischen zwei und acht Zeilen lang sind. Neben den einzelnen Proben befinden sich arabische Zahlen, durchnummeriert von 49 bis 52. Die Zeilenlängen der einzelnen Proben variieren.
Kontext:
Der Sexualwissenschaftler und Sexualreformer Magnus Hirschfeld schreibt zu den Schriftproben: „Man braucht nicht Schreibsachverständiger zu sein, um zu entscheiden, auf welcher von beiden Seiten der männlichere bzw. weiblichere Schriftcharakter vorherrscht“ (Hirschfeld, Magnus (1913): Geschlechtsübergänge. Mischungen männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere (Sexuelle Zwischenstufen), Max Spohr, Text vor Tafel XX). Die Schriftproben dienen ihm als Beleg für die These, dass sich eine „feminine“ bzw. „virile“ Psyche auch in der Handschrift widerspiegele (vgl. ebd.).
Dies ist im Kontext des von Hirschfeld entwickelten „Zwischenstufenkonzepts“ zu verstehen, das u. a. auch mit Körpermaßen arbeitete. Der „Zwischenstufentheorie“ lag die Annahme zugrunde, dass menschliche Eigenschaften eine männliche oder eine weibliche Ausprägung aufwiesen, die sich messen ließe, darunter auch Körpergröße, Knochen, Schädel, Becken, Gelenke, Muskulatur, aber auch z. B. Mimik und Handschrift.
Sehr verkürzt gesagt, beschreibt es die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.
Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn (2022): Der Liebe und dem Leid, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
In der von Leo Schidrowitz später publizierten „Sittengeschichte des Lasters“ wurden die Handschriften (vermutlich unabsichtlich) vertauscht, sodass die „feminine“ als „virile“ Schrift ausgegeben wurde.
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Ort
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Berlin
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Sprache
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de
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Gefördert durch
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Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin