Fotografie, die eine stehende unbekleidete Frau zeigt (ethnologischer, kolonialer Kontext)

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Objekttyp
Titel des Objekts
Fotografie, die eine stehende unbekleidete Frau zeigt (ethnologischer, kolonialer Kontext)
Beschreibung des Objekts
Contentwarnung: Kolonialismus, Rassismus

Ganzkörperliche Schwarz-Weiß-Fotografie einer unbekleideten Frau. Sie ist fast frontal vor einem neutralen Hintergrund abgebildet, die Arme hält sie unter der Brust verschränkt. An den Armen, am Hals und an den Fußgelenken trägt sie Ketten bzw. Ringe, um die Hüfte eine Kette mit einem Lendenschurz.

Weil heute nicht mehr nachvollzogen werden kann, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen diese Fotografie einer unbekleideten Person entstanden ist, wird die Abbildung hier nur zum Teil in Klarform gezeigt.

Kontext:
Die Abbildung der Person wurde in der Publikation „Geschlechtsübergänge“ als Beispiel einer sog. „Androsphysie“, „Androgynie“ bzw. „Mannweibigkeit“ genutzt. Dieses Konzept meint, dass ein „weiblicher“ Körper als nicht den – recht eigenwillig gesetzten – Körperstandards entsprich. Die betrifft z. B. – wie in diesem Fall geltend gemacht – das Verhältnis von „Beckenlinie“ zur „Schulterlinie“ (vgl. Hirschfeld, Magnus (1913): Geschlechtsübergänge. Mischungen männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere (Sexuelle Zwischenstufen), Max Spohr, Text vor Tafel XVII).

Dies ist im Kontext des von Magnus Hirschfeld, Sexualwissenschaftler und Sexualreformer, entwickelten „Zwischenstufenkonzepts“ zu verstehen, das u. a. auch mit Körpermaßen arbeitete. Der „Zwischenstufentheorie“ lag die Annahme zugrunde, dass menschliche Eigenschaften eine männliche oder eine weibliche Ausprägung aufwiesen, die sich messen ließe, darunter auch Körpergröße, Knochen, Schädel, Becken, Gelenke, Muskulatur, aber auch z. B. Mimik und Handschrift.

Allgemein und sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.

Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.

Da die abgebildete Person laut Bildunterschrift vermutlich aus Makave/Tonga stammt, ist das Bild auch in einem kolonialistischen Kontext zu betrachten.
Datierung
Ort
Berlin
Sprache
de
Nutzungsrechte Metadaten
CC0
Nutzungsrechte Digitalisat
Public Domain Mark
Gefördert durch
Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin

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