Fotografie, die einen Mann zeigt (kolonialistischer Kontext)

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Fotografie, die einen Mann zeigt (kolonialistischer Kontext)
Beschreibung des Objekts
Contentwarnung: Kolonialismus, Rassismus, Erwähnung von Schaustellung

Schwarz-Weiß-Fotografie, auf dem ein Mann zu sehen ist, der vermutlich vor einem Holzhaus sitzt. Der Mann ist vom Kopf bis etwa zum Bauchnabel sichtbar und unbekleidet. Im Hintergrund sind liegend angeordnete Baumstämme schemenhaft sichtbar, die vermutlich zu einem Haus gehören. Der Mann wurde frontal aufgenommen und sieht direkt in die Kamera.

Weil heute nicht mehr nachvollzogen werden kann, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen diese Fotografie einer unbekleideten Person entstanden ist, wird die Abbildung hier nur zum Teil in Klarform gezeigt.

Kontext:
Das Foto stammt laut dem Sexualwissenschaftler und Sexualreformer Magnus Hirschfeld aus der 1901 erschienenen Publikation „Menschenkunde. Eine Naturgeschichte sämtlicher Völkerrassen der Erde mit 41 Tafeln" von Dr. Alexander Sokolowsky, der Zoologe war und auch mit Carl Hagenbeck in Verbindung stand. Letzterer war Tierhändler und Zoodirektor und etablierte sog. „Völkerschauen“, in denen indigene Menschen v. a. in zoologischen Gärten Europas einem neugierigen Publikum vorgeführt wurden. Das Bild stammt damit aus einem kolonialistisch-rassistischen, eurozentrischen Kontext.
Hirschfeld selbst nutzte die Abbildung zur Demonstration eines sog. „Gynäkomasten“, einem „Mann mit weiblicher Brustbildung“, ohne jedoch näher auf das Foto einzugehen (vgl. Hirschfeld, Magnus (1913): Geschlechtsübergänge. Mischungen männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere (Sexuelle Zwischenstufen), Max Spohr, Tafel XII). Sog. „Gynäkomasten“ waren Teil des von Hirschfeld entwickelten sog. „Zwischenstufenkonzepts“, das u. a. mit Körpermaßen arbeitete. Der „Zwischenstufentheorie“ lag die Annahme zugrunde, dass menschliche Eigenschaften eine männliche oder eine weibliche Ausprägung aufwiesen, die sich messen ließe, darunter auch Körpergröße, Knochen, Schädel, Becken, Gelenke, Muskulatur, aber auch z. B. Mimik und Handschrift.

Allgemein und sehr verkürzt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.

Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
Datierung
Ort
Berlin
Sprache
de
Nutzungsrechte Metadaten
CC0
Nutzungsrechte Digitalisat
Public Domain Mark
Gefördert durch
Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin

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