Fotografie, die den 19-jährigen P. zeigt (1)

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Titel des Objekts
Fotografie, die den 19-jährigen P. zeigt (1)
Beschreibung des Objekts
Schwarz-Weiß-Fotografie eines Mannes, der in einem Raum vor einer Wand steht. Er trägt einen dunklen Anzug, in seiner rechten Hand hält er vermutlich ein paar Handschuhe, die linke Hand ruht auf der Rückenlehne eines Stuhls. Er wurde frontal fotografiert und vom Kopf bis etwa zu den Knien sichtbar. Am Kragen seiner Jacke hat er eine Brosche oder eine Blume angesteckt. Den Kopf hat er nach links gedreht und blickt an der Kamera vorbei.

Kontext:
Das Bild gehört zu einer Serie von Fotos, die von P. vermutlich im Rahmen der Beschreibung seines „Falls“ angefertigt wurden.

Der Sexualwissenschaftler und Sexualreformer Magnus Hirschfeld, der P. untersuchte, beschreibt ihn als eine Person, die „weibliches Benehmen, weiblichen Kehlkopf, dementsprechend hohe Stimmlage, weibliches Becken bei im übrigen männlicher Figur“ habe (Hirschfeld, Magnus (1913): Geschlechtsübergänge. Mischungen männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere (Sexuelle Zwischenstufen), Max Spohr, Text vor Tafel IX.). P. selbst habe ihn wissen lassen, dass er als „lästiger Ausländer" (ebd.) ausgewiesen worden sei, nachdem er häufig nachts im homosexuellen Milieu der Friedrichstraße unterwegs gewesen sei. Auch habe er Hirschfeld wissen lassen, dass ihm einst ein Eierstock entnommen worden sei und eine seiner Brüste Milch abgesondert habe – eine Aussage, die Hirschfeld als Wunschvorstellung einschätzt (vgl. ebd.).

Ein Bild der Fotoserie von P. war Teil der Bilderwand „Sexuelle Zwischenstufen“, die für den im August 1913 in London tagenden internationalen medizinischen Kongress angefertigt und dann im Institut für Sexualwissenschaft gezeigt wurde. Der Gründer des Instituts, Magnus Hirschfeld, wollte mit der Bilderwand seine um 1910 vorgelegte „Zwischenstufentheorie“ veranschaulichen und untermauern.

Sehr verkürzt gesagt, beschreibt das Konzept der Zwischenstufen die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstige körperliche Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstige seelische Eigenschaften.

Mit dieser Theorie öffnete Hirschfeld bereits 1907 das gängige Konzept des biologisch-genitalen Geschlechts für Aspekte, die u.a. auf der erlebten Identität der Individuen beruhten.
Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, Rainer (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher gingen damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
Datierung
Ort
Berlin
Sprache
de
Nutzungsrechte Metadaten
CC0
Nutzungsrechte Digitalisat
Public Domain Mark
Gefördert durch
Förderprogramm zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes des Landes Berlin

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